London, Hamburg, Göttingen – Abraham Vandenhoeck

    14 February 2020

 

»ob daselbst [in Hamburg] sich ein Mann namens Abraham van Hoeck aufhalte, der ein Buchdrucker oder Buchführer sey und im vorigen Jahre die Poemata Sapphûs graece et latine herausgegeben hätte«

Diese Zeilen schrieb der hannoversche Minister und erste Kurator der Göttinger Universität Gerlach Adolph Freiherr von Münchhausen auf der Suche nach einem Buchdrucker, der die Erfordernisse des noch jungen Göttinger Universitätsbetriebs erfüllen konnte, nach Hamburg. Als Antwort bekam Münchhausen:

»Es soll derselbe kein Buchdrucker, sondern ein Buchhändler seyn, hat aber eine Buchdruckery aus Engelland mit hergebracht […]. Ist 34 Jahre alt und die Nahrung ist wohl nur schlecht.«

Aus diesem Briefwechsel folgend wurde Abraham Vandenhoeck unter Erstattung seiner Reisekosten nach Göttingen eingeladen und erhielt am 13. Februar 1735 das Privileg eines Universitätsbuchdruckers und -buchhändlers. Zum Verleger wurde Abraham Vandenhoeck durch das vertraglich zugesicherte Privileg, dass er alleinig die von der Universität in Auftrag gegebenen Drucksachen auf Kosten der Universität drucken möge. Die Vertragsverhandlungen hatte Vandenhoeck so geschickt geführt, dass Münchhausen nach Göttingen schrieb:

»Inmittelst sind die Conditiones, welche wir dem van den Hoeck machen, zu cachieren, damit sie nicht kund werden, und andere Leute auf gleiche Postulate zu bringen veranlassen.«

Doch wer war der neue Buchdrucker, Buchhändler und Verleger der jungen Universitätsstadt Göttingen?

Als junger Mann hatte Abraham Vandenhoeck bereits in seiner Heimat den Niederlanden mit Büchern gehandelt. Im Alter von etwa 20 Jahren gründete er 1720 eine Buchhandlung und eine Druckerei in London. Hier lernte er auch seine spätere Frau Anna Vandenhoeck (geborene Parry, geb. 24. Mai 1709 in London, gest. 6. März 1787 in Göttingen) kennen, die er im Laufe der 1720er Jahre heiratete. 1732 wechselten die Vandenhoecks nach Hamburg, wo Abraham Vandenhoeck als Buchhändler tätig war, als ihn der Brief Münchhausens erreichte.

Die verlegerische Anfangszeit Abraham Vandenhoecks war maßgeblich durch die junge und im Aufbau befindliche Universität geprägt, was auch auf seinen Buchhandel und seine Buchdruckerei Auswirkungen hatte. Dies hielt Vandenhoeck allerdings nicht davon ab, bereits im Jahre 1736 zur Leipziger Buchmesse zu reisen. Darüber hinaus zeichnete sich die Anfangszeit ebenso durch ein ausgezeichnetes Verhältnis zu dem renommierten Philologen Johann Matthias Gesner aus. So erhielt Vandenhoeck 1740 das königliche Privileg für eine lateinische Schulgrammatik sowie weitere Schulbücher, die allesamt von Gesner herausgegeben wurden. Dieses Privileg brachte dem Verlag sowie der jungen Universität viel Ansehen über die Grenzen Göttingens hinaus. Daraufhin nahm Vandenhoeck Verhandlungen für einen Bibelabdruck und eine große Plinius-Ausgabe in vier Bänden auf, die jedoch in beiden Fällen gescheitert sind.

Die erste Buchhandlung Abraham Vandenhoeck wurde gegenüber der Universitätskirche, der Alten Paulinerkirche, eingerichtet, damit die Studenten nach dem Gottesdienst direkt am Laden vorbeikamen und das ausgestellte Sortiment begutachten konnten, später ist die Buchhandlung in die heutige Weender Str. 46 umgezogen.
 

Prominente Freundschaft – Albrecht von Haller und Abraham Vandenhoeck

Ab 1743 ist Albrecht von Haller in das Vandenhoeck-Verlagsprogramm mit seinen Icones anatomicae in acht Bänden gekommen. Zu Albrecht von Haller entwickelten die beiden Vandenhoecks eine besonders enge Beziehung. Der aus der Schweiz stammende von Haller gehörte wie Vandenhoeck dem reformierten Glauben an, sodass sich die beiden Familien durch ihr konfessionelles Exil sehr verbunden fühlten. Dies hatte sowohl persönliche wie geschäftliche Auswirkungen, so erschienen zahlreiche Schriften von Hallers im Vandenhoeck-Verlag, sodass Vandenhoeck schließlich sogar vorgeworfen wurde, er würde ausschließlich für Haller arbeiten. Noch im Mai 1750 trat von Haller für Vandenhoeck in einem Brief an Münchhausen ein, indem er zu verstehen gibt, dass viele der Göttinger Professoren ihre Verlage bereits woanders hätten und gar nicht bei Vandenhoeck drucken wollen würden. Aus diesem Grund seien sämtliche Beschwerden, dass Vandenhoeck nur Bücher bestimmter Professoren drucke, gänzlich fehl am Platze sei.

 

Das Scheitern Vandenhoecks?

 Zunehmender Konkurrenzdruck, den die Universität, der das Sortiment Vandenhoecks und aller Göttinger Buchhändler als zu schmal erschien, durch den Zuzug weiterer auswärtiger Buchhändler und Drucker befördern wollte, sowie wiederkehrende Unstimmigkeiten mit der Universität machten Vandenhoeck zu schaffen. Einerseits gab es Beschwerden aufgrund einer verminderten Druckqualität, die Vandenhoeck mithilfe eines weiteren Kredits innerhalb eines Jahres wieder beseitigte, andererseits wurde auch kritisch beäugt, dass Vandenhoeck englische und französische Übersetzungen sowie Romane ins Sortiment aufnahm und verkaufte. Anfang 1744 schien der Druck von außen so groß, dass Vandenhoeck den Mut verloren haben schien und Göttingen wieder verlassen wollte.

Dies scheint nicht weiter verwunderlich, da Vandenhoeck sicherlich nur schwer sämtliche Hoffnungen, die man in Göttingen und Hannover auf ihn gesetzt hatte, erfüllen konnte. Es ist eher verwunderlich, dass er trotz der Umstände durchgehalten hat. Vandenhoeck kam mit seiner Frau Anna über London und Hamburg in ein hannoversches Landstädtchen und spricht zu diesem Zeitpunkt fließend niederländisch, englisch und französisch jedoch nur gebrochen deutsch. So sollte er die literarischen Bedürfnisse einer jungen deutschen Universität als Drucker, Buchhändler und Verleger stillen, obwohl ihm die deutsche Literatur, der deutsche Buchhandel und die Zunft der deutschen Buchdrucker weitestgehend fremd ist.

1744 gab Münchhausen Vandenhoeck jedoch zu verstehen, dass er nur bereit sei, ihn ziehen zu lassen, wenn er sämtliche Vorschüsse und Kredite erstatte. Falls Vandenhoeck jedoch bliebe, würde er weiterhin beim Auf- und Ausbau seiner Geschäfte gefördert. Darüber hinaus äußert Münchhausen die Überlegung, dass für Vandenhoeck eine primäre Fortsetzung der Druckerei und eine Vernachlässigung des teuren Buchhandels sinnvoller sei.

Da die Vorgabe Münchhausens für Vandenhoeck nicht zu erfüllen war, entschloß er sich dafür, seine Göttinger Geschäfte weiter zu führen.
 

Wirtschaftlicher Aufschwung

Vandenhoecks Geschäftsgeist und seine Ambitionen zur Verbreitung wissenschaftlicher Literatur offenbaren sich 1748 in dem Anliegen, dass er den Vorschlag unterbreitet von allen Dissertationen 100 Exemplare über dem Bedarf der Universität zu drucken, dessen Vertrieb ihm gegen günstige Bedingungen überlassen werden solle. Dieses besondere Anliegen Vandenhoecks wurde jedoch allem Anschein nach abgelehnt.

Vandenhoecks Verlagstätigkeit nahm jedoch trotzdem Ende der 1740er Jahre deutlich zu, während die Kataloge für die Buchmessen von 1735 bis 1747 noch je zwei bis 15 Werke umfassten, waren es 1748 bereits 23 Werke und 1749 bereits 27. 1750 – im Todesjahr Vandenhoecks – waren es dann 34 Werke, wozu beispielsweise Johann David Michaelis‘ »Einleitung in das Neue Testament«, eine Quintilianus-Ausgabe von Gesner, drei Bände von Hallers großen anatomischen und physiologischen Werken sowie die 6. Auflage von Hallers »Versuch Schweizerischer Gedichte« gehörten. Diese Zahlen und die namhaften Veröffentlichungen verdeutlichen, dass Vandenhoecks Druckerei und Sortiment in Göttingen die erste Stelle behauptete und sich zugleich der Verlag prächtig zu entwickeln begann.

Anfang August 1750 verstarb Abraham Vandenhoeck im Alter von 50 Jahren und konnte sich an dem wirtschaftlichen Aufschwung seines Verlages nicht mehr erfreuen. Albrecht von Haller schrieb kurz nach Vandenhoecks Tod am 12. August an Johann Matthias Gesner:

»Vandenhoecks Tod ist ein großer Verlust für mich, aber die Witwe wird die begonnenen Bücher zu Ende führen.«

Albrecht von Haller sollte recht behalten – nach dem Tod ihres Mannes ergriff Anna Vandenhoeck die Zügel des Verlagsregiments mit fester und zielgerichteter Hand und baute den Verlag auf der Grundlage ihres Mannes weiter auf und aus.

 

Stefan Lemke