Impuls O – Optimismus: Der Optimismus als tragende Kraft (C.O.R.O.N.A. 11/20)
02 September 2021
Christa H. Herold »Lösungsfokussierte Beratung: Ein Fünf-Bausteine-Modell«, (Vandenhoeck & Ruprecht 2021)
1. Impuls C – CHANCE
2. Impuls O – ORDNUNG
3. Impuls R – RESILIENZ
4. Impuls O – OPTIMISMUS
5. Impuls N – NACHHALTIGKEIT
6. Impuls A – ALTERNATIVEN
Optimismus leitet sich in seiner Bedeutung von dem lat. Optimum „das Beste“ in seiner bewertenden Zuschreibung ab. Der Begriff ist verbunden mit einer bestimmten menschlichen Haltung und Einstellung sowie Betrachtungsweise der Welt. Diese basieren auf einer persönlichen Bewertung und den Basisbausteinen von Hoffnung, Zuversicht und einem Ja zum Leben. Seine Haltung zielt auf die Zukunft ab – ausgedrückt in der Begriffsbedeutung des Lateinischen optimum als „das Beste“. Dieses gilt es dann entsprechend auch zu erwarten.
Sprache gestaltet unseren Alltag. Sie trägt zum Verstehen und Verständnis bei durch das, was und wie wir uns in ihr ausdrücken. Worte sind verbunden mit Emotionen und machen etwas mit uns. Mitunter wirken sie so stark, dass wir körperlich auf sie reagieren.
Welche DNA steckt in unseren Worten? Welche Haltung und Einstellung drücken sich darin aus? Unsere innere Haltung bestimmt in der Konsequenz die Handlungsoptionen in Richtung Optimismus oder Pessimismus und unsere Worte.
Eine kleine Wanderung durch die Jahrhunderte:
Durch die Jahrhunderte hindurch war und ist der Optimismus für verschiedene Philosophen, Theologen und Psychologen eine Arbeits- und Forschungsgrundlage.
Drei Beispiele dazu:
Der Mathematiker und Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) spricht Gott zu, dass er sein Möglichstes gegeben habe und wir in der „besten aller möglichen Welten“ leben würden, in der alles möglich ist. (Da fällt es einem schon mal schwer in dieser krisengeschüttelten und unsicher gewordenen Welt dem beizupflichten.)
Ernst Bloch (1885–1977) bringt als Philosoph trotz seiner Schrift „Das Prinzip Hoffnung“ eine andere Facette mit ein, jene des „Optimismus mit Trauerflor“. Die Hoffnung ist für ihn als einem „Noch-nicht“ auf die Zukunft in einer Zielorientierung gerichtet und als eine Humanisierung der Welt.
L. P. Albert Schweitzer (1875–1965) lenkt als deutsch-französischer Arzt, Philosoph und Theologe den Fokus auf ein geistig-sinnvolles Ziel des Weltverlaufs und auf die Förderung der geistig-sittlichen Vollendung des Einzelnen. Ihm geht es weiterhin um das auf einer ethischen Gesinnung gründenden und daraus motiviertes Handeln, mit dem Ziel die Welt und die Gesellschaft zu verbessern. Sein Transformationsdenken ist sehr pragmatisch: so sollte auf Kritiküben und Protestieren mit Leistung und dem Schaffen von Neuem geantwortet werden.
Wie schaffe ich den Perspektivwechsel hin zum Optimismus?
Optimismus ist eine große Ressource im Umgang mit den vielen Herausforderungen unseres Alltags und insbesondere im Anbetracht dieser unberechenbaren, Menschen dahinraffenden „Pandemie-Diva“ ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht und bisher unter Verschonung von nur einem Kontinent, der Antarktis.
Optimismus ist zu unterscheiden von positivem Denken. Letzteres bewegt sich nur im Denken von Positivem und als einem vorwiegend kognitiven Vorgang. Optimismus hat nach neurowissenschaftlichen Studien mit Empathie zu tun und nicht nur als einer kognitiven und emotionalen Intelligenz, sondern er zeigt sich auch in der sozialen Intelligenz. In ihr spiegelt sich die innere Haltung und Einstellung mit ihren praktischen Kompetenzen im Außen wider – im Tun.
Wie identifizieren wir uns mit diesem Begriff Optimismus und seiner Bedeutung?
Martin E. P. Seligman (*1942), ein US-amerikanischer Psychologe, betrachtet den Optimismus eines Menschen von der Vergangenheit her und spricht von dem Phänomen der „erlernten Hilflosigkeit“. Wohl aber muss der Mensch nach einem schweren Erleben oder negativen Erfahrungen – verbunden mit großem Stress – nicht der Meinung verhaftet bleiben und davon überzeugt zu sein, dass er nichts verändern kann. Jede:r hat je nach Persönlichkeit und ihrer Ausstattung Möglichkeiten der Gestaltung und des Umgangs damit. Diese sind auf innere als auch äußere Faktoren und Ressourcen und ihrer Nutzung zurückzuführen.
Im Vergleich von Menschen mit einer pessimistischen Haltung mit jenen mit einer optimistischen Haltung schlagen die unterschiedlichen Ursachenzuschreibungen, Erwartungen und Stressbewältigungen zu Buche. Natürlich ist das nur in einer groben Differenzierung zu betrachten, weil jeder Mensch beide Seiten in sich trägt – wohl aber mit seinen individuellen Merkmalen und Faktoren unterschiedlich ausgeprägt.
So sieht der Optimist bei einer gelungenen Aufgabenstellung die Ursache eher in sich selbst und seiner Motivation. Eine misslungene schreibt er eher äußeren Faktoren zu z. B. bestimmten Umständen. Das Negative muss sich nach seinem Dafürhalten beim nächsten Mal nicht zwingend wiederholen und ist nicht immer beständig oder durchgängig gleichbleibend. Also der Optimist differenziert das Ganze. Mittels seines guten Selbstbewusstseins managt und reguliert er seine Stresssituationen mit all den belastenden Gedanken und Emotionen in strategischer und aktiver Art und Weise.
Der Pessimist hingegen sieht die Ursache für das Versagen bei sich selbst, was seinem geringen Selbstwertgefühl geschuldet ist. Er neigt dazu, einen Fehlschlag auf anderes zu übertragen und als Regel zu verallgemeinern. Die Killer-Worte wie „immer“, „nur“, „nie“, „alles“, „jedes Mal“, „andauernd“, „ununterbrochen“, „fortwährend“ u. a, bilden die Stützpfeiler in seinem aktiven und negativ gefärbten Sprachgebrauch.
Je nach dominierendem Schwerpunkt und unangemessener Umgangsweise, sei es hinsichtlich einer pessimistischen oder optimistischen Sichtweise, wirkt sich dieses weiterhin in entsprechendem Verhalten und Tun aus. Weiterhin beeinflusst die Sichtweise einerseits die Anfälligkeit und Entwicklung von Stress, die gesundheitliche Konstitution und das Krankheitsgeschehen. Andererseits wirkt sie sich auf die Belastungsfähigkeit, die Widerstandskraft (Resilienz) und das Wohlbefinden aus. Wiederum haben wir einen Einfluss darauf, welche Sichtweise bei uns vorherrscht.
Die Ergebnisse aus einer selektiven Auswahl daraus bilden Konstrukte in unserem Lebenskonzept und basieren auf unterschiedlichen Prozessen der Informationsverarbeitung in unserem Gehirn. Wie schon oben beschrieben, stoßen die von außen über die Sinne empfangenen Signale im Gehirn Netzwerke mit ihren zugehörigen Schaltkreisen an und steuern die Produktion von biochemischen Substanzen wie Hormonen und/oder Neurotransmittern an. Dieser Prozess schließt die Immunität hinsichtlich der Psychoneuroimmunologie mit ein und wirkt sich entsprechend als schädigend oder heilsam auf unser Wohlbefinden und auch in unserem sozialen Umfeld aus.
Es spielt also eine Rolle, wie und von welcher Seite das Leben betrachtet wird und welche Erwartungen damit
verknüpft werden. Sehe ich auf die helle, freundliche oder die dunkle und belastende Seite? Beziehungsweise, um es aus einer Schwarz-Weiß-Kategorie zu entheben: Wo sehe ich vorwiegend hin?
Der Volksmund spricht in seinem Erfahrungswissen davon, „aus der Not eine Tugend zu machen“. Das taten die jungen Menschen, die auf Aushängen ihre Hilfe während des Lockdowns anboten.
Paul Watzlawick spricht davon, „das Gute im Schlechten zu sehen“ und zu entdecken, um sich somit selbst mit seinen eigenen Mitteln die Bausteine für die Konstruktion seiner Lebenswirklichkeit zu liefern. Wenn der Perspektivwechsel zum Guten noch nicht in dem gewünschten Maße in mir, meiner Haltung und Einstellung und auch in meinem Sprachgebrauch vorhanden ist, kann ich diesen – wenn ich will – schrittweise in Richtung Optimismus trainieren.
Auch Liedtexte oder Gedichte können dabei helfen. Wie sieht es aus mit der Aufforderung des Songs von Eric Idle aus dem Film „Das Leben des Brian“ von Monty Python: „Always Look on the Bright Side on Life“ .1
Christa H. Herold, Psychologische Beraterin, ist in eigener Praxis in der systemisch-lösungsfokussierten Beratung, Therapie und Supervision tätig. Darüber hinaus ist sie geprüfte Schriftpsychologin, Burn-out-Beraterin und zertifizierte Mediatorin.